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Bauplanungsrechtliche Steuerung des Einzelhandels

Dem Leitbild funktionsfähiger und lebendiger Innenstädte folgend, kommt der Steuerung insbesondere des großflächigen Einzelhandels ein hoher Stellenwert zu. Dem gegenüber stehen Tendenzen des Trading down ehemals blühender Einkaufsstraßen und Suburbanisierung der Einzelhandelsflächen, ganz abgesehen von den flächendeckenden negativen Auswirkungen des Internethandels. Als Frequenzbringer ist der Einzelhandel (EZH) von entscheidender Bedeutung für die Funktionsfähigkeit von Innenstädten und Stadtteilzentren. Diese bündeln, zumindest in der traditionellen europäischen Stadt, das Angebot an öffentlichen und privaten Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen. Unter den Aspekten des demographischen Wandels und des Umweltschutzes nimmt der Anspruch an eine sinnvolle Siedlungsentwicklung künftig eher noch zu.

Die Rahmensetzung zur Steuerung des Einzelhandels erfolgt dabei auf raumordnerischer Ebene in Gestalt von Zielen und Grundsätzen der Landesplanung, wohingegen die konkrete Verortung in die Zuständigkeit der kommunalen Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungsplanung) fällt. Somit liegt die Hauptaufgabe bei Städten und Gemeinden, die auf Grundlage eines Einzelhandelskonzeptes eine funktionsgerechte Zuordnung zu Zentrumslagen und Baugebietstypen vorzunehmen haben. Das frühere „Zuwenig“ an Steuerung ist dabei im Wechselspiel von Legislative und Jurisdiktion v.a. im letzten Jahrzehnt in eine (Über-)Regulierungsspirale gemündet. 

Der raumordnerische Überbau

Das Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) legt fest, dass in Raumordnungsplänen Festlegungen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes erfolgen müssen. Dies erfolgt in Gestalt von zu beachtenden (bindenden) Zielen und zu berücksichtigenden Grundsätzen. Landesweiter Raumordnungsplan für NRW ist z.B. der seit 08.02.2017 geltende neue Landesentwicklungsplan (LEP NRW). Dieser beinhaltet in seinem Kapitel 6.5 „Großflächiger Einzelhandel“ sieben Ziele, drei Grundsätze und eine Auflistung zentren-relevanter Sortimentsgruppen.

Die Gemeinden sollen dem Entstehen sowie der Verfestigung und Erweiterung von Einzelhandelsagglomerationen außerhalb der Zentren entgegen wirken. Vorhandene großflächige Standorte außerhalb von zentralen Versorgungsbereichen sollen als Ziel der Landesplanung auf den genehmigten Bestand begrenzt werden, mit allenfalls geringer Erweiterungsmöglichkeit.

Zentrale Versorgungsbereiche

Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Teilflächen einer Stadt / Gemeinde, denen aufgrund des vorhandenen Einzelhandels, Verwaltungs-, Dienstleistungs- und Gesundheitseinrichtungen, Kultur und Gastronomie eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommen. Die räumliche Abgrenzung erfolgt auf Basis einer örtlichen Bestandaufnahme und kann als Darstellung (oder Hinweis) in den Flächennutzungsplan (FNP) aufgenommen werden.

Die Versorgungsbereiche können nach ihrer Funktion der zentralörtlichen Gliederung angepasst werden, z.B. Hauptzentren, Nebenzentren, Nahversorgungszentren. Der zentralörtlichen Integrität und Abstufung unter den Kommunen wird Rechnung getragen durch das Verbot der Beeinträchtigung von zentralen Versorgungsbereichen in anderen Kommunen. Hilfsmittel dazu ist die Umsatz-Kaufkraft-Relation, die besagt, dass der Umsatz einer geplanten Einzelhandelsnutzung die Kaufkraft der zugeordneten Bevölkerung für das jeweilige Sortiment nicht überschreiten soll. Dabei geht es um den städtebaulichen Belang des Schutzes der Innenstädte, nicht aber um eine wirtschaftliche Steuerung, Ausgrenzung oder Schutz von Wettbewerbsteilnehmern vor Konkurrenz.

Sortiments- und Verkaufsflächenbegrenzungen in Bauleitplänen

Der Flächennutzungsplan stellt die beabsichtigte Art der Bodennutzung gemeindeweit in den Grundzügen dar, die bauliche Nutzung im Allgemeinen als Bauflächentypen, ohne nähere Spezifikation. Anders bei großflächigem Einzelhandel: Hier wird zur Vermeidung negativer Auswirkungen meist schon eine höhere Regelungsdichte angelegt, in Gestalt von genau definierten Sonder-Baugebieten mit Zweckbestimmung, zulässigen Sortimenten und Verkaufsflächenobergrenzen. Die bauleitplanerische Feinsteuerung erfolgt dann auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung durch daraus entwickelte Bebauungspläne.

Zur Steuerung des Einzelhandels ist dabei nicht immer ein vollständiger, „qualifizierter“ Bebauungsplan erforderlich, sondern es reicht oftmals ein sog. „einfacher“ Bebauungsplan zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche nach dem Instrument des § 9 Abs. 2a Baugesetzbuch (BauGB). Darin kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (nach § 34 BauGB) festgelegt werden, dass nur bestimmte Arten von baulichen Nutzungen zulässig sind.

Anlagentypisierungen nach Sortimenten und Verkaufsflächengrößenklassen werden dabei als ein Element der Art der baulichen Nutzung gesehen. In den klassischen Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung (Wohn- / Misch- / Gewerbegebiete) ist neben der Unterscheidung nach großflächig bzw. nicht großflächig eine weitere Differenzierung in der Verkaufsflächengröße nur zulässig, wenn auf marktgängige Anlagentypen Bezug genommen wird. Ansonsten können solche Festsetzungen nur in Sondergebieten oder in einem Vorhabenbezogenen Bebauungsplan (§ 12 BauGB) getroffen werden. Eine Kontingentierung von Verkaufsflächen (VKF) über ein größeres Gebiet ist unzulässig, weil sie zu einem Windhundrennen unter den konkurrierenden Grundstückseigentümern führen würde. Stattdessen sind zulässige Sortimente und Verkaufsflächen  grundstücksbezogen festzusetzen.

Die Definition der Großflächigkeit erfolgt in § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Regelvermutungsgrenze sind 1.200 m² Geschossfläche, welche auf darin enthaltene 800 m² an Verkaufsfläche zurückgerechnet werden (jedenfalls in der Regel). Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich auf die Ziele der Raumordnung oder die städtebauliche Entwicklung nicht nur unwesentlich auswirken können, sind außer in Kerngebieten (MK) nur in für sie festgesetzten Sondergebieten (S0) zulässig. Die Regelannahmevermutung negativer Auswirkungen kann auch widerlegt werden, atypische Fallgestaltungen kommen insbesondere in Frage für Lebensmittelmärkte.

Weitere, bauordnungsrechtlich relevante Bestimmungen

Zu beachten sind weiterhin die Bestimmungen des Einzelhandelserlasses NRW „Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben; Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben“. Die enthaltenen Hinweise und Weisungen dienen der landeseinheitlichen Planung  und bauordnungsrechtlichen Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben. Bauanträge für großflächige Einzelhandelsvorhaben außerhalb oder ohne abgestimmte zentrale Versorgungsbereiche oder mit Überschreitung der Umsatz-Kaufkraft-Relation hat die Bauaufsichtsbehörde der zuständigen Bezirksregierung zur Prüfung vorzulegen.

Relevant sind teilweise auch Bestimmungen der Landesbauordnung, auf ihrem jeweils aktuellen Stand. Durch die Neufassung der Bauordnung für das Land NRW vom 15.12.2016, verkündet am 28.12.2016 –Wirkung mit Übergangsfristen-, tritt z.B. folgende für das Genehmigungsverfahren beachtliche Neuregelung in Kraft:

Die Definition der Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebes ab 800 m² Verkaufsfläche floss in die Novellierung ein. Bisher wurde in der noch gültigen BauO NRW in § 68 Abs. 1 festgelegt, dass Verkaufsstätten mit mehr als 700 m² Verkaufsfläche als großer Sonderbau zu bewerten sind. „Großer Sonderbau“ bedeutet, dass es sich um bauliche Anlagen und Räume mit höheren Ansprüchen insbesondere an den Brandschutz oder auch den Arbeitsschutz handelt.

In der novellierten BauO, die ab 2018 verbindlich angewendet werden muss, wurde im § 53 unter Punkt 4. die Zuordnung einer Verkaufsstätte zum großen Sonderbau geändert: nunmehr sind dies Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von mehr als 800 m² haben. Indirekt hat sich per Definition die Fläche sogar um mehr als 100 m² vergrößert, da dem Besucherverkehr zugängliche Teilflächen wie Windfang oder Pfand-Raum zwar zur Verkaufsfläche aber nicht zum Verkaufsraum zählen.

Unabhängig vom Sonderbau-Genehmigungsverfahren muss ab 2.000 m² Verkaufsraum-Fläche die Sonderbauverordnung (SBauVO) Teil 3 – Verkaufsstätten angewendet werden, was noch höhere Anforderungen involviert.

Fazit

Die Realisierung jeglichen größeren EZH-Vorhabens (und bisweilen auch kleinerer) ist eine komplexe Aufgabe und damit für Vorhabenträger und kleinere Kommunen ohne fachmännische Unterstützung des Planungsprozesses kaum mehr zu leisten. Durch eine vorausschauende und die Anforderungen integrierende Planung ist ein Mehrwert an Effizienz für die Beteiligten zu schaffen. Hier steht die PE Becker GmbH als kompetenter Partner mit langjähriger Erfahrung zur Verfügung.

– Dipl.-Geogr. Rochus Mey